Schatz, wir müssen reden!

Ich bin Nicola, ich arbeite in einem „Unverpackt Laden“, fahre mit einem Lastenfahrrad zum Einkaufen, wir bekommen unser Fleisch von einem nahe gelegenen Bio-Bauernhof und sind Teil einer Solidarischen Landwirtschaft. Bevor jetzt aber noch jemand vor lauter „Gutmenschentum“ kotzen muss: es gibt ein Problem. Mein Mann arbeitet für eine große europäische Fluggesellschaft und passt somit irgendwie gar nicht mehr zu meinen Lebensstil.

Auf einmal herrscht die große Klima-Panik und es gilt mal wieder: nur schwarz oder weiß, ganz oder gar nicht. Also was soll ich tun? Scheidung, ihn zur Kündigung zwingen oder ihn einfach totschweigen? Auf einmal gibt es die, die schuld sind am Klimawandel. Die Anderen. Die Schlechten. Aber vielleicht machen die sich ja auch Gedanken, vermeiden Müll, machen sich Sorgen um die Zukunft unserer Kinder oder kaufen nachhaltige Kleidung. Ist das scheinheilig? Sollten alle konventionellen Landwirte, (fast) alle Mitarbeiter im Einzelhandel, alle Mitarbeiter die im Flugverkehr tätig sind, LKW-Fahrer, Mitarbeiter der Automobilindustrie, Mitarbeiter der Reisebranche usw. lieber beim Discounter einkaufen, jeden Tag Fleisch essen und SUV fahren weil das authentischer wäre? Ich bekomme oft zu hören „Ja toll, und Dein Mann arbeitet am Flughafen“. Ja, und jetzt? Ist es deswegen falsch, das ich mich für den Umweltschutz einsetze? Plötzlich stehen Millionen Berufe am Pranger. Dürfen die alle nicht im „Unverpackt Laden“ einkaufen, weil sie vielleicht in Rüsselsheim Autos zusammen bauen oder beim Discounter an der Kasse sitzen. 

Ich habe neulich einen schönen Vergleich gesehen: 

„Der Klimaschutz ist wie ein vollgeschissenes WG-Klo. Alle sind daran beteiligt, aber jeder hofft, dass der andere es freiwillig putzt.“ 

Tatsache ist, dass wir alle mit unseren Konsumentscheidungen dazu beitragen können, dass es einen Wandel gibt. Aber nicht jeder kann sofort seinen Job kündigen und veganer Biolandwirt werden. Denn es geht nicht darum auf alles zu verzichten und Selbstversorger zu werden, sondern die Dinge müssen wieder an Wert gewinnen. Wir haben es in der Hand, welche Industrie überlebt. Es gibt fast überall Wochenmärkte, auf denen man direkt beim Erzeuger kauft. Man unterstützt regionale Landwirte, erfährt wie es angebaut wurde und kann sich direkt beim Erzeuger beschweren, falls die Äpfel mehlig sind oder der Salat Läuse hat. Unser Metzger schlachtet Tiere aus artgerechter Haltung aus dem Umland. Das sind keine Großbetriebe sondern ist Viehzeug, dass irgendwo im Hunsrück auf der Weide rumsteht. Die Auswahl ist nicht riesig, aber immer frisch. Montagnachmittags wird geräuchert und da duftet oft die ganze Straße nach frischer Fleischwurst. (Ja, ich liebe Wurst und 2 x im Monat kaufe ich beim lokalen Metzger!). 

Jeder weiß, dass er die lokalen Geschäfte unterstützen sollte. Das schafft Arbeitsplätze, Perspektiven und stärkt die Region. Und vielleicht gibt es dann auch die Möglichkeit für den ein oder anderen in einen weniger klimaschädlichen Beruf zu wechseln. Aber diese Perspektiven müssen erst geschaffen werden und daran kann jeder mitarbeiten.

Es gibt immer mehr Kleidungshersteller, die wirklich nachhaltig produzieren. Diese zu unterstützen sendet das richtige Signal. Sich anzuschauen wo der Kaffee oder Tee herkommt, der morgens in meiner Tasse ist, wo die Schokolade herkommt, was sich in meiner Zahnpasta befindet und ob ich die 800m zur Arbeit mit dem Auto fahre oder trotz Kälte das Fahrrad nehme. Es gibt für eine Konsumentscheidung eine gute Alternative. Man muss sich nur informieren. Fast jeder hat heutzutage ein Smartphone und es somit selbst in der Hand. Mein Großer hat mich mal gefragt warum es bei uns zu Hause kein Nutella gibt. Meine Antwort war: „Ich will euch morgens Nix auf die Stulle schmieren, wofür Kinder arbeiten mussten“. Zusammen haben wir dann eine gute Alternative gesucht und gefunden. Der Kompromiss war: das Zeug ist schweineteuer und wenn es leer ist, gibt es erstmal wieder Marmelade. Es gab kein Geschrei als das Glas leer war (es wurde allerdings komplett ausgeschleckt…bis in den letzten Winkel). Es geht nicht ums verbieten, sondern darum bewusster zu konsumieren. Und das können wir alle. Denn wir haben mit unserem Kaufverhalten die Macht zu bestimmen und die Industrie in die richtige Richtung zu lenken. Und wer denkt „was soll ich als Einzelner schon ausrichten?“ dem sei gesagt: wenn jeder so denkt, dann nicht viel. 

Statt die „anderen“ zu belehren, sollten wir anfangen ein Gefühl von Zusammengehörigkeit zu entwickeln, denn wir sitzen alle im gleichen Boot. Es gibt nicht „DIE“ und“WIR“. Jeder sollte das machen was möglich ist, denn der Klimawandel hängt nicht nur an einer Sache, sondern ist ein Gesamtpaket unserer Entscheidungen. Es geht nicht darum zu schauen wer was falsch macht, sondern darum zu zusehen was man selbst anders machen kann.

Wir hier in Deutschland sind sehr privilegiert was unseren Lebensstandard angeht. Aber zu diesem Lebensstandard gehören auch Pflichten. Wir haben mehr als wir benötigen. Vor kurzem hat jemand gesagt: „ Wer Teil des Problems ist, ist auch immer Teil der Lösung!“ und das macht es doch eigentlich wunderbar einfach. Das Schöne am Klimaschutz ist doch, das alle mitmachen dürfen.Jeder kann Müll reduzieren, regional einkaufen oder saisonal kochen. Es gibt überall Wochenmärkte, man muss seine Kleidung nicht beim Discounter kaufen und sollte generell überlegen, ob man wirklich alles benötigt, was man kaufen will. Jeder kann weniger Fleisch essen und öfter mal das Auto stehen lassen. Das tut alles einem selbst, aber auch dem Geldbeutel gut. 

Und was meinen Mann angeht: den behalte ich. Denn wie nachhaltig ist es denn bitte etwas weg zu geben, was noch wunderbar in Ordnung ist?

2 Antworten zu „Schatz, wir müssen reden!”.

  1. Sehr guter Beitrag!
    Mit Fingern auf andere zu zeigen ist zwar bequem aber nicht nachhaltig.
    Da fallen mir
    – das Glashaus ein, wer darin sitzt soll nicht mit Steinen werfen,
    – und wer frei von Schuld ist der werfe den ersten Steinn
    – und die vier Finger , die auf den zeigen, der mit dem Finger auf andere zeigt.
    LG und ein schönes WE
    … und Danke für die früh-morgendlichen Koch-Ideen 🙂
    Max

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    1. Dankeschön und gern geschehen. Ein schönes Wochenende zurück. VG Nicola

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